„Niemanden hätte es interessiert, was ich als 17-Jähriger erlebt habe“
In dieser Woche war es für die Jahrgänge 9 und EF so weit: Nils Mohl war aus Hamburg angereist, um aus seinem 2011 erschienenen Jugendroman „Es war einmal Indianerland“ zu lesen. Veraltet? Nein. Nur schon vor elf Jahren erschienen, aber top aktuell: Das 2012 mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Werk handelt ganz einfach davon, wie es sich anfühlt, 17 zu sein. Oder ist das doch nicht so einfach?
Das ganze Durcheinander im Kopf eines im Plattenbau lebenden Boxtalents, dessen Vater seine Frau umgebracht hat, das sich zu zwei sehr unterschiedlichen Mädchen hingezogen fühlt und auch sonst auf dem Weg zu sich selbst ist, bildet der Autor in einem Bewusstseinsstrom ab, sodass ein direktes Mitempfinden der Verwirrung, der Suche nach sich selbst und der getroffenen Entscheidungen möglich wird.
Beim Vortrag des Romananfangs wechselte Nils Mohl zwischen Lesung und vergleichender Filmvorführung. Was schon über den knappen, teils ellipsenhaften Stil des Romans mit vielen Gedankensprüngen, Flashbacks und Vorausdeutungen deutlich wurde: die Geschwindigkeit des Lebens. Auch im Film ging es schnell – die Sprache dicht am Roman orientiert, keine typische Jugendsprache, sondern eben eine Sprache, die den jeweiligen Charakter spiegelt.
Durch seine unaufgeregte Art vorzutragen und eine gewisse Gleichgültigkeit in der Stimme schaffte Nils Mohl, es den Schüler*innen zu ermöglichen, sich genau in den Gefühlszustand versetzen, in dem sich auch die 17- jährige Hauptperson befindet. Auch in bewegendsten Momenten zieht sich dieser hinter eine Wand von scheinbarer Gleichgültigkeit zurück – ein Selbstschutz?
Im Gespräch mit dem Autor hatten die Schüler*innen die Möglichkeit, Fragen zum Roman, aber auch zum Film, zum Beruf „Schriftsteller*in“ usf. zu stellen. Dabei plauderte Nils Mohl aus dem Nähkästchen:
- wie er dazu kam, einen Jugendroman zu schreiben (wollte er eigentlich gar nicht),
- welche Hindernisse es auf dem Weg zur Entstehung des Films gab (ein Drehbuchautor, für den die Konstruktion des Romans zu abenteuerlich war, um daraus ein Drehbuch zu machen),
- wie man die passenden Schauspieler*innen gefunden hat (betteln bei Wunschkandidaten neben durch Agenturen gefundenen Castingteilnehmer*innen),
- ob er überhaupt Schriftsteller werden wollte (schon immer),
- wie lange er schon Schriftsteller sei (das war wirklich schwierig – welchen Zeitpunkt nimmt man da – den, des ersten Gefühls, einer zu sein, obwohl man fast noch nichts geschrieben hat, den der ersten Veröffentlichung, oder den, in dem man dadurch selbstständig wurde?),
- wie der Roman überhaupt entstanden ist und welche „Überlebenschancen“ er hatte (morgens zwischen fünf und sieben Uhr neben einem „normalen“ Job, während der Elternzeit im Wohnwagen auf Amrum… und dann musste der Roman innerhalb eines halben Jahres erfolgreich werden, um nicht in der Versenkung zu verschwinden – und plötzlich flatterte eine gute Spiegel-online-Rezension vorbei und damit der beginnende Erfolg),
- weshalb er den Titel gewählt habe (Anspielung auf Märchen und Western)
- und so einiges mehr…
Offen für alle Fragen erklärte er besonders ausführlich, warum er genau einen 17-jährigen als Hauptperson gewählt hat und sehr heftige Ereignisse aus dessen Leben zeigt: Dies war eine der interessantesten Zeiten seines Lebens, sowohl bei „krassen“ als auch bei schönen Erlebnissen. Dabei ging er auch darauf ein, dass viele Momente autobiographische Bezüge hätten, selbst wenn „es niemanden interessiert hätte, was ich als 17-Jähriger erlebt habe“. Ihm seien besonders Sport, Freunde, das erste Festival, der Erwerb des Führerscheins und Mädchen wichtig gewesen – letztere hätten ihm rückblickend wichtiger sein können. Er habe sich die Frage gesellt, was er gebraucht hätte und wie er selbst damit umgegangen wäre, wenn plötzlich Erwachsene als Stütze und Rückhalt nicht mehr da seien. Man verpacke letztendlich das, was man erzählen wolle, als trojanisches Pferd und versuche, es in einem Roman zu verdichten.
Fazit: Gelungen!
Insgesamt war es ein wirklich toller Vormittag mit Informationen über einen lesenswerten Roman und vielen interessanten Einblicken in das Leben eines wirklich nahbaren Schriftstellers – vielen Dank Nils Mohl! Wir freuen uns schon auf „Henny und Ponger“ und die nächsten Werke!
Übrigens: Der Roman „Es war einmal Indianerland“ steht gleich zweimal in der Schülerbücherei. Darüber hinaus wurde der Film nun auch angeschafft.
Außerdem am Rande bemerkt: Seit 2020 veröffentlicht Nils Mohl jede Woche ein Gedicht auf Instagram. Auf seiner Homepage gibt es einen Clip, in dem er einige dieser Gedichte vorliest. Also: Schaut mal rein!
(Bild: K. Parusel, Text: M. Witczak)
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